Es gibt eine Reihe von Fragen zu Purpose, die mir in meinen Workshops und Coachings immer wieder gestellt werden. Hier sind die Antworten.
Woran erkenne ich, ob Purpose für mein Leben wichtig ist oder nicht?
Am Deutlichsten erkennst du es daran, ob du mit dir im Einklang bist oder nicht. Fragen nach dem Warum und Wozu erscheinen häufig in Krisensituationen. Mein Leben gerät aus den Fugen, ich quäle mich zur Arbeit. Purpose ist ein typisches Thema von Wendezeiten. Etwas dreht sich und wir würden gerne ein stärkeres Gefühl dafür bekommen, was da passiert, wie wir stärker selbst lenken anstatt gelenkt zu werden – und zwar nicht von Situation zu Situation, sondern eher entlang einer längeren Linie.
So kommt Purpose ins Spiel, die Fragen nach dem Warum und dem Wozu. Sie erschließen das große Bild. Die Bedeutung und der Wert der Antworten auf diese Fragen liegt darin, Verbundenheit herzustellen, mit sich selbst und der Gemeinschaft, dem Leben einen klaren Fokus zu geben, eine eigene Geschichte zu haben, die über mich hinausweist. Ob das für dein Leben wichtig ist oder nicht, weißt du selbst am besten.
Was passiert, wenn ich mich gegen Purpose entscheide?
Das ist eine der ganz zentralen Fragen zu Purpose. Die Antwort: Viele von uns entscheiden sich gar nicht aktiv gegen Purpose, sondern schenken dem Thema keine Aufmerksamkeit. Das funktioniert. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass mir Purpose geholfen hat, etwas längere Linien in mein Leben zu legen und diese zu verfolgen. Mir hat das viel Ruhe gegeben.
Es fühlte sich an wie Segeln. Es gibt keinen direkten Weg, du bist abhängig von Phänomenen, die du nicht bestimmst – Wind – und dennoch bestimmst du den großen Kurs. Wichtig auch: In so einer Ausrichtung blickt man weniger auf Hindernisse und lässt die Stimmung nicht ins Negative kippen. Außerdem: Ganz bestimmt gibt es etwas wie meine ganz individuelle Superkraft – Purpose hilft, diese zu entdecken und zu nutzen.
Ist Purpose etwas Rationales oder Emotionales?
Es ist beides. Das macht Purpose so interessant. Wir bewegen uns in einem Gebiet, in dem Fühlen und Spüren ebenso wichtig sind wie analytisches Denken. Es gibt vor allem in den USA viele Ansätze spiritueller Natur. Sie gehen davon aus, dass wir das Unbewusste anzapfen müssen, um unser Warum und Wozu zu verstehen. Ihr Vorgehen scheint mir allerdings häufig grenzwertig, man betritt auf jeden Fall eine eigene Welt.
Die emotionale Dimension des Purpose finden wir in Geschichten, Metaphern, indem wir einfach einen Spaziergang in der Natur machen und die Welt auf uns wirken lassen. Der kalte Konferenzraum allein wird die rationale Seite des Purpose ausleuchten und sollte nicht der einzige Ort sein, von dem aus wir uns diesem Thema nähern. Entscheidend ist am Ende nicht allein, dass wir einen Purpose verstehen, sondern auch, dass wir ihn fühlen.
Kann Purpose nicht auch etwas ganz Privates sein?
Ja. Er kann sich auf die Familie oder einen engen Freundeskreis beschränken und mehr ist nicht nötig. Doch auch in dieser kleinen Welt kann ich zum Beispiel einen Golden Circle malen. Die Größe der Welt spielt keine Rolle. Und wenn ich mich irgendwann entscheide, auf einer anderen Skala zu wirken, dann arbeite ich mit den gleichen Mitteln.
Ist Purpose etwas, das Menschen trennt oder verbindet?
Beides. Unser Warum und Wozu schaffen zunächst starke Verbindungen – wie bei großen Marken oder Bürgerbewegungen. Man teilt das Warum. Warum habt ihr die Evangelische Schule Berlin gegründet? Weil wir eine gute Schule für unsere Kinder wollten, die sie auf die Welt von heute und morgen vorbereitet. Warum kaufst du auf dem Wochenmarkt ein? Weil ich die regionale Landwirtschaft unterstützen will und das für wichtig im Kontext der Umweltbewegung halte.
Auf der anderen Seite trennt Purpose ganz klar entlang einer Linie. Wer seine Kinder freiwillig zur Hauptschule schickt oder Obst vom anderen Ende der Welt kauft, folgt entweder einem anderen Purpose oder pfeift auf das Thema. Wichtig scheint mir daher die Idee von Inklusion, die unsere Zeit auszeichnet – wir wollen keine Fronten, keine Ausgrenzungen.
Eine Idee, die vielen Organisationen ihre Schönheit schenkt, wenn sie Inklusion nicht nur formulieren, sondern auch tief in ihren Strukturen verankern. Das bedeutet nicht, dass alle Widersprüche aufgelöst werden, sondern das Anderssein produktiv genutzt wird. Anders als in Social Media, wo sich dank digitaler Abstraktion die Fronten immer mehr zu verhärten scheinen, etwa beim Thema Pandemie.
Was hat Purpose mit meinen Leistungen zu tun?
Kurz gesagt: Purpose weckt deine Superkräfte. Du kannst jeden Tag ins Fitness-Studio gehen, dein Studium mit Eins absolvieren, mit Leidenschaft mindestens 10 Stunden pro Tag arbeiten. Das allein ist es nicht. Erst wenn du, wie der Dichter sagen würde, dein Herz an einen Stern hängst, wirst du dein volles Potenzial ausschöpfen, weiß die Wissenschaft.
Wie finde ich den für mich idealen Purpose-Prozess?
Wie überall im Leben: Du siehst dich um und entscheidest dich für die Tools, die dich ansprechen. Dann beginnst du, damit zu arbeiten. Wähle doch einfach den Prozess, den du kennst, den du immer wählst, doch schalte vielleicht einen Gang runter oder besser zwei. Zum Purpose gehören auch Pausen und Stunden der Stille.
Wie lange dauert ein Purpose-Prozess?
Das ist eine der Fragen zu Purpose, die schwer zu beantworten sind. Er dauert auf jeden Fall wahrscheinlich länger, als du annehmen wirst. Für eine Person mag der Prozess einige Wochen, aber eher Monate dauern. Man denkt häufig, jetzt habe ich’s, und am nächsten Morgen erscheint das Resultat dann doch nicht mehr so überzeugend. Purpose ist also eher ein Ausdauersport. Aber auch ein Teamsport. Gespräche sind sehr nützlich, Fragen, radikales Zuhören, Nachdenken.
All das dauert. Bei Unternehmen hängt es von der Größe ab und von dem, was das Unternehmen vorhat. Wenn es voll auf Purpose einsteigen will, geht es darum einen gigantischen Dialog zu organisieren, wie bei einer Bürgerbewegung. Wenn es Purpose eher mit dem Fallschirm abwerfen will, dann geht es schneller – wenige Monate –, doch vielleicht ist das Ergebnis nicht so nachhaltig.
Warum gibt es so viel Fake-Purposes?
Es ist eine der häufigsten Fragen zu Purpose. Die Antwort: Purpose ist ein Thema unserer Zeit. Wir wollen auf Instagram, Facebook, LinkedIn schillern, als Person, als Unternehmen. Wir haben erkannt, dass Purpose sich wunderbar mit großen Themen wie Umwelt verknüpfen lässt und mich in ein gutes Licht rückt. Purpose ist so etwas wie das neue T-Shirt oder die Sneakers, die bei Zalando bestellt, fürs Foto angezogen und wieder zurückgeschickt werden.
Wer fällt darauf rein? Erstaunlich viele. Doch die Wahrnehmung für die Differenz zwischen so tun und so sein wird immer schärfer und bei Unternehmen zum Glück auch die Gesetze und Bestimmungen, die Purpose zwar nicht fordern, aber fördern.
Warum wird Purpose häufig so riesig formuliert?
Dahinter verbirgt sich die Idee, das, was man in der Welt erreichen möchte, auf der größtmöglichen Skala zu denken. So soll verhindert werden, dass man unter Umständen zu klein denkt, zu bescheiden ist. Die Gefahr, die nun allerdings besteht, liegt darin, dass Purpose zu etwas Monströsem wird.
Vergleichen wir das Bezos-Ehepaar: Amazon will das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt sein. Superlativ. Punkt. Die Ex-Frau von Jeff Bezos, MacKenzie Scott, die seit der Scheidung eine der reichsten Frauen der Welt ist, will mit ihren großzügigen Spenden in Milliardenhöhe dazu beitragen, die Gesellschaft zu stabilisieren.
Superlativ oder Bescheidenheit – ein Purpose drückt aus, wer wir sind und wer wir sein wollen.
Wie lange beträgt die Halbwertszeit von Purpose?
Ganz unterschiedlich. Wichtig scheint mir, Purpose nicht als Zustand, sondern als Reise zu denken. Und immer wieder Stopps einzulegen, zurückzublicken und sich des Weges bewusst zu werden. Ein Dialog, sei es ein Selbstgespräch, ein Gespräch mit Freunden oder Kollegen, hilft, um ein Gefühl für die eigene Evolution zu gewinnen.
Und, sofern nötig, wird der Purpose eben angepasst. Achtung allerdings: Die größte Gefahr, unser Warum und Wozu aus dem Blick zu verlieren, ist Erfolg. Gerade in Zeiten großen Erfolgs ist das Innehalten nötig, die Ruhe. So kommen wir nicht von unserem Weg ab.