Purpose und Profit – wie passt das zusammen? Sehen wir uns das Thema doch einmal aus der Perspektive eines bekennenden Kapitalisten an. Purpose ist längst ein Leitmotiv in den Jahresbriefen des BlackRock-CEOs Larry Fink. Darin widmet sich der Chef des größten Investors der Erde Themen, die aus seiner Perspektive von zentraler Bedeutung für langfristig beständige Erträge sind.
Purpose = Profit, das ist seine einfache Gleichung. Oder etwas vorsichtiger formuliert: Purpose erhöht die Chance auf Profit signifikant. Fast wichtiger ist der Umkehrschluss: Unternehmen ohne klaren Purpose werden es laut Fink zunehmend schwer haben.
Ein Beispiel. Der Purpose von Tesla lautet: „Wir wollen den Übergang zu nachhaltiger Energie beschleunigen.“ Für die Autowelt ist das ein revolutionärer Purpose. Es geht nicht mehr darum, den Abgasanforderungen zu genügen, wenn nötig, mit Manipulation, nein: Es geht um den Übergang in eine neue Ära.
Dieser Purpose beinhaltet bereits die Idee der Triple Bottom Line – auch wenn diese sicherlich insbesondere mit Blick auf die Batterieproduktion noch nicht zu Ende gedacht ist. Die Triple Bottom Line ist ein Drei-Säulen-Modell, um ein Unternehmen mit Blick auf Nachhaltigkeit zu führen. Im Kern geht es um Balance.
Wie ein sensibles Mobile, das zu balancieren ist: die Triple Bottom Line
Profit: die ökonomische Dimension. Der Profit darf nicht auf Kosten nachfolgender Generationen generiert werden. Der alleinige Fokus auf finanziellen Erfolg bewirkt, dass die anderen beiden Säulen ausgenutzt werden. Stattdessen soll Profit ökologische und soziale Ressourcen fördern und so Wohlstand auch über das Unternehmen hinaus vergrößern.
People: die soziale Dimension. Statt den Fokus allein auf die Interessen der Shareholder, die finanziellen Anteilseigner des Unternehmens, zu legen, werden jetzt die Interessen aller Personen mit einbezogen, die in irgendeiner Weise durch die unternehmerischen Entscheidungen betroffen sind. Dabei geht es insbesondere um die Einhaltung der Menschenrechte und das Verhindern von Ausbeutung. Dazu gehören die Bekämpfung der Armut, Bildungsmöglichkeiten und faire Löhne.
Planet: die ökologische Dimension. Kein Raubbau an der Natur. Die Idee ist, die natürlichen Lebensgrundlagen nur in dem Maße zu nutzen, wie diese sich regenerieren. Unternehmen achten also darauf, mit den Rohstoffen Wasser, Luft und Boden schonend umzugehen.
Mit diesem Modell verlieren wir niemals den Horizont aus dem Augen. Wir stellen uns erfolgreiches Wirtschaften vor wie ein sensibles Mobile, das zu balancieren ist. Anhand der Triple-Bottom-Line kann ein Unternehmen eine Bilanz in Bezug auf seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit ziehen.
Wie funktioniert das in der Praxis? Zunächst einmal so, dass ich alle drei Aspekte systematisch in den Blick nehme und all meine Handlungen damit überprüfe.
Wichtig ist, unter die Jahresbilanz nicht nur einen, sondern drei Striche zu ziehen
Der Kreativität sind da kaum Grenzen gesetzt. Zentral scheint mir, dass ich unter meine Jahresbilanz nicht nur einen, sondern drei Striche ziehe, drei Bottom Lines: einen für People, einen für Planet, einen für Profit. Und dass das Gesamtbild stimmig ist und meine Bestrebungen für Nachhaltigkeit spiegelt.
Wie blickt der BlackRock-Chef auf das Modell der Triple Bottom Line? Er hängt alles am Purpose auf. Dieser ist für ihn Ausdruck der nachhaltigen Bestrebungen des Unternehmens, wie im Tesla-Beispiel. In seinem Jahresbrief 2021 schreibt Larry Fink:
„In 2018, I wrote urging every company to articulate its purpose and how it benefits all stakeholders, including shareholders, employees, customers, and the communities in which they operate. Over the course of 2020, we have seen how purposeful companies, with better environmental, social, and governance (ESG) profiles, have outperformed their peers.“
Interbrand-Studien bestätigen: Nachhaltige Marken wachsen schneller, weil die Konsumenten schlichtweg Marken bevorzugen, die aktiv ihren Daseinszweck kommunizieren, die einen Standpunkt beziehen und die Triple Bottom Line im Blick haben.
Kunden wollen Unternehmen, deren Werte sie teilen
2022 betont Fink erneut, dass Purpose die Basis für langfristigen Erfolg ist:
„Putting your company’s purpose at the foundation of your relationships with your stakeholders is critical to long-term success. Employees need to understand and connect with your purpose; and when they do, they can be your staunchest advocates. Customers want to see and hear what you stand for as they increasingly look to do business with companies that share their values. And shareholders need to understand the guiding principle driving your vision and mission.“
Soweit das Thema People. Auch das Thema Planet wird aus Anlegersicht zum Top-Thema:
„Every company and every industry will be transformed by the transition to a net zero world. The question is, will you lead, or will you be led? … We focus on sustainability not because we’re environmentalists, but because we are capitalists and fiduciaries to our clients.“
Profit ohne Purpose hat eine schwierige Zukunft
Die Triple Bottom Line wird zum neuen Normal. Nicht nur für Unternehmen und Investmentbanker, sondern für jeden Einzelnen von uns. Jeder individuelle Purpose oder Unternehmenspurpose sollte dieses Modell direkt oder indirekt spiegeln. Profit ohne Purpose hat eine schwierige Zukunft. Und Sinn macht nur Sinn, wenn er Bezug nimmt auf das große Bild.
Patagonia etwa sagt, wir sind im Geschäft, um unseren Heimatplaneten zu retten – und handelt entsprechend dieses Purpose, indem es Aktivismus und Unternehmertum vereint. So wird es zur Blaupause für andere Purpose-Unternehmen. Nicht nur das: Es wird zur Blaupause für verantwortungsvolles, wertebasiertes Handeln in unserer Zeit.
In seiner berühmten Rede vor Studenten der Universität Stanford im Juni 2005 ruft Apple-Gründer und CEO Steve Jobs den Absolventen zu: „Finde, was du liebst!“ Und wenn du es noch nicht gefunden hast, hör nicht auf, danach zu suchen. „Gib dich nicht mit weniger zufrieden.“
Drei Jahre später, es ist wieder Juni, steht Amerikas erfolgreichste Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey vor der Abschlussklasse in Stanford und ruft: „Wenn ihr wirklich fliegen wollt, verbindet eure Energie mit eurer Passion … Vertraut eurem Herzen und ihr werdet erfolgreich sein.“ Beide Reden sind großartig und inspirierend. Und lange Zeit hätte ich zu 100 Prozent zugestimmt, bis ich 2018 das Buch „Great at Work“ von Morten T. Hansen entdeckte, das gerade neu erschienen war. Der vielversprechende Untertitel: How Top Performers Do Less, Work Better, and Achieve More. Hansen sagt, seinen Studien haben ergeben, dass wir unsere Leidenschaften nicht als obersten Impulsgeber oder gar als Kompass verwenden sollten. Es würde zu oft scheitern. Für jede Oprah Winfrey und jeden Steve Jobs stehen Tausende, die mit der gleichen Leidenschaftlichkeit gescheitert sind. Wir sollten stattdessen unsere Passion einem höheren Sinn unterordnen. Purpose und Passion miteinander verknüpfen. Das wäre ein Garant für Bestleistungen und in der Folge für ein erfülltes Leben. Wie können wir das praktisch umsetzen? Gar nicht kompliziert: Wir zeichnen zwei Kreise, die sich überschneiden: den Purpose-Kreis und den Passion-Kreis. In einem Kreis halten wir fest, was wir zu tun lieben und im anderen Kreis halten wir fest, womit wir einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten könnten. In Schnittmenge der beiden Kreise liegt die richtige Mischung, die uns zu herausragenden Leistungen befähigt.DIE 6 GESICHTER DER LEIDENSCHAFT
Eine wunderbare Übung! Doch bevor wir beginnen, sollten wir uns die verschiedenen Horizonte von Purpose sowie die unterschiedlichen Aspekte von Passion genauer ansehen. Passion hat sechs Gesichter. Wir sind leidenschaftlich in unserem Beruf, weil wir:- Freude daran haben, unsere Arbeit genießen
- Leistung erbringen, etwas erreichen
- kreativ sein können
- den Umgang mit Menschen genießen
- lernen und wachsen können – beruflich und privat
- unsere Kompetenzen nutzen und das tun, was wir am besten können.
DIE 3 GESICHTER DER SINNHAFTIGKEIT VON ARBEIT
Auf der Purpose-Seite lassen sich zumindest drei Horizonte zeichnen. Mit jedem verschiebt sich das Gefühl für unser Warum und Wozu, es wird stärker, weil wir immer mehr Welt darin aufnehmen:- wir schaffen Wert, ohne anderen Menschen durch unser Tun zu schaden
- wir entwickeln persönliche Sinnhaftigkeit
- wir finden eine soziale Mission, die weit über das Geldverdienen hinausgeht.