Empathie ist die Fähigkeit, Gedanken und Gefühle einer anderen Person, eines Tieres oder einer fiktiven Figur in einem Film oder Roman zu erkennen, zu verstehen und zu teilen. Die Entwicklung von Empathie (Einfühlungsvermögen) ist entscheidend für den Aufbau von Beziehungen, für ein mitfühlendes Verhalten und dafür, anderen Wesen zu helfen. Damit ist sie ein zentrales Element im Kontext von Purpose.
Was ist Empathie?
Der Betriff stammt aus dem Griechischen en/em (in, hinein) und pathein (fühlen): Einfühlung. Empathie ist eine herausragende Fähigkeit, die uns ermöglicht zu verstehen, was jemand erlebt, und darüber hinaus auch, dieses Verständnis zurückzuspiegeln. Empathie bringt im Privat- und Berufsleben viele Vorteile. Das wären:
- Sie stärkt zwischenmenschliche Verhältnisse
- Sie hilft uns, Freundschaften zu bilden
- Sie stärkt unser Wohlbefinden
- Sie hilft uns, ethische Entscheidungen zu fällen
- Sie führt zu besseren Gesprächen und Lösungen
- Sie verstärkt soziales und altruistisches Verhalten
- Sie sorgt dafür, dass wir einschreiten, wenn andere tyrannisiert werden.
Häufig hören wir: Empathie, das bedeutet in den Schuhe des anderen zu gehen. Es geht jedoch vielmehr darum zu lernen zuzuhören, wenn uns jemand erzählt, wie es ist, in seinen Schuhe zu gehen und dieser Person zu glauben, auch wenn es nicht mit unserer Erfahrung übereinstimmt.
Michael Ende hat mit Momo eine empathische Heldin geschaffen. Momo ist das Mädchen, das so wunderbar zuhören kann. Momo sieht ihre Mitmenschen. Sie nimmt ernst. Sie stellt Fragen, statt Antworten zu geben. Fragen und Zuhören können sind zentrale Elemente von Empathie: Erzähl mir deine Geschichte!
2 + 2 Formen der Empathie
Die meisten Wissenschaftler sind sich einige darüber, dass es Sinn macht, mindestens zwei Erscheinungsformen der Empathie zu unterscheiden: die kognitive und die emotionale Empathie.
Kognitive Empathie ermöglicht, Gefühle und Gedanken einer anderen Person erfassen und verstehen zu können. Es geht darum, die Perspektive des anderen einzunehmen.
Emotionale Empathie ermöglicht, Gefühle eines anderen Menschen nachzufühlen, als wären es die eigenen Gefühle.
Es gibt noch zwei weitere Formen von Empathie, die in der Psychologie verwendet werden: die einfühlsame Sorge und die soziale Empathie.
Die einfühlsame Sorge ist die Fähigkeit zu spüren, was eine andere Person von uns benötigt.
Die soziale Empathie bezeichnet die Fähigkeit, sich in eine Gruppe von Menschen hineinzuversetzen und abschätzen zu können, welche Auswirkungen das eigene Handeln auf diese Gruppe hat.
Die 5 Attribute von Empathie
Wir antworten emphatisch, wenn wir bereit sind, präsent für die Leiden anderer Menschen oder auch Tiere zu sein. Wenn wir das nicht wollen, dann sollten wir nicht von Empathie reden. Diese fünf Attribute zählen zu Empathie:
- Eine Perspektive einnehmen: Wie schätzt du diese Erfahrung für dich ein? Was bedeutet dieses Konzept für dich?
- Nicht zu urteilen: Wir hören zu, ohne das Gehörte zu bewerten.
- Die Emotion wahrnehmen: Wie kann ich etwas in mir berühren, das mir hilft, mich mit den Gefühlen der anderen Person zu verbinden. Es geht darum, klarzumachen, was wir hören. Fragen zu stellen.
- Unser Verständnis dieser Emotion zu kommunizieren: Das ist manchmal kompliziert und manchmal auch sehr einfach, wie z.B. „Mist, wie übel, verstehe.“
- Achtsamkeit zu praktizieren: Es geht nicht darum, eine Emotion wegzuschieben, weil sie unangenehm ist, sondern, im Gegenteil, diese zu fühlen und mitten hindurch zu gehen.
Was ist der Unterschied zwischen Empathie und Mitleid?
Empathie und Mitleid werden mitunter synonym verwendet, sind aber nicht dasselbe. Empathie ist ein Weg, sich mit anderen Menschen zu verbinden, Sympathie dagegen ist ein Weg, sich zu trennen. Sagt jemand „das tut mir leid für dich“, so nett das gemeint sein mag, dann kommuniziert die Person nicht „me too“, sondern „not me“. Wir hören uns nicht wirklich die Story an, sondern wir vermischen diese mit unserer eigenen.
Mitleid isoliert. Es enthält 4 Elemente: der Glaube, dass die bemitleidete Person uns unterlegen ist, keine Hilfe anzubieten, ein Bestreben, emotional distanziert zu bleiben und die klare Vermeidung, das Leiden der anderen Person zu teilen.
Wie hängen Moral und Einfühlungsvermögen zusammen?
Die Logik ist Folgende: Weil es Empathie gibt, handeln Individuen nicht wie vollkommen isolierte Zellen. Sie interessieren sich füreinander und es gibt soziale Interaktionen. Empathie ist eine notwendige Voraussetzung für die menschliche Gesellschaft. Um ein moralisches Urteil zu fällen, reicht sie allein allerdings nicht aus. Wir müssen zusätzlich definieren und unterscheiden: Was ist gut, was ist böse? Wir brauchen die Idee einer Welt, wie sie ist und wie sie sein sollte.
Wie ist es bei den Tieren: Menschenaffen zum Beispiel verfügen über die emotionalen Grundlagen, um eine Moral zu schaffen. Aber führen sie Gespräche über Gut und Böse, über die Welt, wie sie ist, und die Welt, wie sie sein soll? Wir wissen es nicht.
Wie entwickeln Kinder Einfühlungsvermögen?
Babys verstehen, dass die Handlungen anderer Menschen von Absichten geleitet werden, und sind in der Lage, auf der Grundlage dieses Verständnisses zu handeln, bevor sie 18 Monate alt sind, einschließlich des Versuchs, ein Elternteil zu trösten. Fortgeschritteneres Denken über die Gedanken anderer Menschen entwickelt sich etwa im Alter von 5 oder 6 Jahren, und die Forschung zeigt, dass Eltern, die Empathie fördern und vorleben, empathischere Kinder großziehen.
Können wir unsere Empathie verlieren?
Ersthelfer, humanitäre Helfer, Ärzte, Therapeuten, Journalisten und andere, die sich bei ihrer Arbeit dem Schmerz anderer öffnen müssen, sind in der Regel sehr empathisch. Es kann jedoch vorkommen, dass sie den Kummer derjenigen teilen, denen sie helfen oder deren Geschichten sie aufzeichnen. Wenn sich solche „emotionalen Rückstände“ ansammeln, können sie sich abkapseln, ausbrennen und weniger bereit oder in der Lage sein, von sich selbst zu geben.
Achtung, das ist kein Einfühlungsvermögen: 7 typische Situationen
Manchmal ist es nicht leicht, Empathie exakt von anderen Gefühlen zu unterscheiden. Diese Situationen zeigen, was Empathie eben gerade nicht ist. Ausgangspunkt: Wir machen jemandem ein Geständnis, z.B. erzählen wir, dass wir uns von unserem Partner getrennt haben. Inspiriert dazu hat mich Brené Browns großartiges Buch Atlas of the Heart.
- Urteilen: Du solltest dich schämen
Jemand hört deine Geschichte und schämt sich für dich. Unschöne Stille. Dann musst du dafür sorgen, dass es dieser Person besser geht, indem du ihr erklärst, dass du gar nicht so ein schlechter Mensch bist. - Sympathie: Es tut mir leid für dich
Der Subtext von „Es tut mir leid für dich“ ist Distanzierung. Mir passieren diese Dinge ja nicht. Empathie wäre zu sagen: „Verstehe. Ich fühle mit dir.“ - Enttäuschung: Du hast mich hängenlassen
Für diese Person bist du eine starke Säule der Zuverlässigkeit. Sie ist enttäuscht, wenn du das einmal nicht bist. Dein Beziehung war doch ihr leuchtendes Vorbild. Statt Nähe zu dir zu suchen heißt es nur: „Du hast mich hängenlassen.“ - Vermeidung: Du übertreibst
Wir vermindern und vermeiden, wenn wir wollen, dass unangenehme Gefühle verschwinden. Weil diese Person sich selbst unwohl fühlt, verweigert sie die Anteilnahme. „Du übertreibst. War doch bestimmt gar nicht so gemeint. Du bist perfekt. Sie ist perfekt. Ihr liebt euch.“ - Vergleichen: Wenn du denkst, dass das schlecht ist
Für diese Person wird alles zum Wettbewerb. Sie übertrumpft dich, anstatt sich auf dein Leiden einzulassen. „Das ist doch gar nichts. Hör dir mal die Story meiner ersten Trennung an!“ - Ratschläge: Ich kann das reparieren und dich gleich mit
Zuhören und einfach da sein – ach, was! Ratschläge sind doch viel wirkungsvoller! Meistens eben nicht. - Schuldzuweisungen: Wem können wir die Schuld geben?
Anstatt bei deinen Gedanken und Gefühlen zu bleiben und es dort eine Weile auszuhalten, wird ein Schuldiger gesucht. Du vielleicht? „Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Oder irgendein anderer: „Hat sie einen Geliebten?“
Lässt sich Empathie trainieren?
Grundsätzlich gilt: Wir alle sind empathisch, nur in unterschiedlich starker Ausprägung. Empathie ist eine Voraussetzung für gute soziale Beziehungen. Sie bewegt uns, anderen zu helfen und uns moralisch zu verhalten. Sie hilft uns, Konflikte zu lösen. Empathie ist bedeutsam für den Zusammenhalt von Gruppen. Kein Wunder, dass in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Programmen entwickelt wurden, die zum Ziel haben, das Empathievermögen zu steigern. 3 Tipps:
- Achtsam sein. Das beginnt bei den Signalen unseres eigenen Körpers. Wir können uns viel leichter einfühlen, wenn wir unsere eigenen Emotionen deuten können. Das lässt sich z.B. mit Achtsamkeitsmeditationen trainieren.
- Zuhören: 100-prozentige Aufmerksamkeit für das Gegenüber! Kein Seitenblick aufs Handy, sondern stattdessen gilt: die Worte ebenso wie Gestik und Mimik wahrnehmen. Nachfragen!
- Perspektivwechsel üben. NDas lässt sich wunderbar mit Romanen trainieren. Indem wir lesen, versetzen wir uns in andere Menschen, eignen uns spielerisch deren Perspektiven an – erweitern unseren Horizont.
Wie nutze ich Einfühlungsvermögen in Gesprächen?
Gute Zuhörerinnen und Zuhörer sind empathisch. Sie verhalten sich weniger wie Schwämme, die still sind und alles, was sie hören aufsaugen, sondern vielmehr wie Trampoline: Anstatt unsere Ideen, Gedanken, Gefühle aufzusaugen, spielen sie diese zu uns zurück. Mit Energie, Freude, Klarheit, Freude. Auf jeden Fall mit Einfühlungsvermögen.
Es gibt verschiedene Levels von Zuhören:
- Eine sichere Umgebung schaffen, in der komplexe oder emotionale Themen diskutiert werden können.
- Dafür sorgen, dass es keine Störungen gibt.
- Fragen stellen, um die Substanz zu ergründen.
- Nicht nur die Worte hören, sondern vor allem auf non-verbale Hinweise achten.
- Die Emotionen, die mit dem Thema verbunden sind.
- Fragen stellen, um Annahmen über die Gefühle und Gedanken des Gegenübers zu klären und helfen damit, die Dinge in einem neuen Licht zu sehen.
Grundsätzlich gilt: Gute Zuhörer hijacken niemals eine Konversation für ihre eigenen Themen oder Probleme.
Wo sind die Grenzen der Empathie?
In der Debatte um kulturelle Aneignung wird unterstellt, dass Weiße sich nicht in Schwarze und Schwarze sich nicht in Weiße einfühlen können. Das ist sicherlich alles andere als trivial, doch schon der Philosoph David Hume hat in Bezug auf wechselseitige Sympathie (das Wort Empathie gab es zu seiner Zeit noch nicht) gesagt, dass uns bei allen Unterschieden auch Universelles vereint: unser Menschsein.
Ganz grundlegend betrachtet sind die Emotionen überall auf der Welt gleich. Angst verengt. Wut treibt den Herzschlag in die Höhe. Freude öffnet. Doch dann sind da noch kulturelle und natürlich auch subjektive Unterschiede, wie bestimmte Gefühle ausgelebt werden. Wenn kühlere Deutsche zum Beispiel auf Afrikaner treffen. Doch ohne die grundlegende Möglichkeit wechselseitiger Empathie wären tiefe Gespräche zwischen ihnen gar nicht möglich.